Mit Schüblingen und Schmugglergeist 100 Jahre Rebengold – Wie der Müller-Thurgau den Bodensee eroberte
Mit Schüblingen und Schmugglergeist
100 Jahre Rebengold – Wie der Müller-Thurgau den Bodensee eroberte 1925 -2025

Wir schreiben das Jahr 1925. Die Winzer am Bodensee kämpfen mit sauren Elblingen, miesen Ernten und noch mieserem Ruf. Die einzige Reaktion aus den oberen Etagen: Schulterzucken und Vorschriften.
Doch ein Mann hat genug von saurem Wein und saurem Magen:
Johann Baptist Röhrenbach, Verwalter auf Schloss Kirchberg, hat den Rebensatz seines Lebens entdeckt – Müller-Thurgau. Früh reifend, mild, charmant. Nur blöd: In Baden verboten.
Was tun? Er überlegt kurz, dann ist klar:
Wenn die Rebe nicht nach Baden darf, dann wird sie eben heimlich eingeführt.
Zwei Männer, ein Boot, kein Licht
In einer Aprilnacht steigen Albert Röhrenbach (22) und Gottfried Ainser (25) in ein sechs Meter langes Ruderboot – ohne Motor, ohne Lampe, aber mit einem klaren Plan: rüber nach Ermatingen in der Schweiz, 400 Pfropfreben einsacken und zurück, ohne erwischt zu werden.
Mit dabei
Ein Laib Brot
Verdünnter Most
Eine Kette Schüblinge
Und ein verdammt gutes Pokerface.
Die Ruderer schleichen sich an der Zollstation vorbei, paddeln durchs dunkle Wasser und hoffen, dass kein Zollbeamter Lust auf nächtliches Fischen hat. In Ermatingen wartet das goldene Gut: 400 Reben, bereit für den Neuanfang am Bodensee.
Die Rückfahrt: Muskelkater mit Aussicht
Der Rückweg ist härter. Gegen die Strömung, mit zitternden Armen und wachsender Sorge. Doch: Sie schaffen es. Nach über acht Stunden erreichen sie erschöpft aber glücklich wieder Hagnau.
Die Reben landen unter strengster Geheimhaltung in den Weinbergen. Aber natürlich: Irgendwann fliegt das Ganze auf. Röhrenbach wird der Anbau verboten – zumindest offiziell. Inoffiziell: Der Wein wird im Schlosskeller ausgeschenkt, mit Rahmkäse und Bauernbrot. Die Gäste? Begeistert. Der Rebenschmuggler? Zufrieden.
Der Wein, der bleiben durfte
Röhrenbach kämpft weiter. Mit Briefen, mit Worten, mit Verstand. Legendär sein Satz an die Obrigkeit:
„Ich habe schon gewusst, dass Herren dumm sein können. Dass sie aber so dumm sein können, habe ich bisher nicht gewusst.“
(An Dreistigkeit kaum zu überbieten – und dafür lieben wir ihn.)
Erst 1949, fast ein Vierteljahrhundert später, darf der Müller-Thurgau offiziell auch auf markgräflichen Flächen wachsen. Heute? Ist der Wein ein Aushängeschild der Bodenseeregion.
Und was bleibt?
Ein Mitglied aus der Familie erzählt heute noch mit Stolz, wie damals alles seinen Anfang nahm. Mit Blick auf die sanften Rebhänge und den glitzernden See sagt er:
„Im Müller-Thurgau zeigt sich die Seele der Seelandschaft wie in keinem anderen Wein.“
Heute stehe ich am See, ein Glas in der Hand,
und stoße leise an – auf zwei Männer, ein Boot
und die beste Entscheidung, die je über den Bodensee gerudert wurde.
Darauf trinke ich jetzt erst mal ein Glas.
Inspiriert von den historischen Überlieferungen zur Entstehung des Müller-Thurgau-Anbaus am Bodensee.
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